… und bereite dich auf Herausforderungen vor

Gab es in deinem Leben schon mal Situationen, mit denen du nie gerechnet hättest, die dich überwältigt und überfordert haben? Von denen du gedacht hast, dir passiert so etwas nicht?

Oder kennst du vielleicht Situationen, die eigentlich vorherzusehen waren, aber du warst von deiner eigenen Reaktion überrascht – wie schwer es dir fiel, damit umzugehen? 

Vielleicht gibt es auch heute Begebenheiten, die bereits real sind oder die sich ankündigen, wo du die Augen lieber verschließt, weil du das Gefühl hast, du kannst sowieso nichts ausrichten und du fühlst dich völlig hilflos fühlst?

Ich glaube, jeder von uns kennt das. Immer mal wieder. 

Oft treffen uns solche Geschehnisse völlig unvorbereitet. Wir blenden Ankündigungen aus, distanzieren uns von den Geschehnissen, glauben, dass es schon gut gehen wird. Manchmal sind wir auch einfach zu erschöpft, uns diesen Themen zuzuwenden oder wir denken, dass wir eh nichts ausrichten können. Und irgendwann ist es dann vielleicht einfach zu spät. 

Wenn wir halbwegs bei Kräften sind, dann überstehen wir solche Situationen. Aber wenn dann noch etwas oben drauf kommt, wird es immer schwerer. So oder so – es ist einfach sehr anstrengend und ist definitiv nicht freudvoll und leicht.

Aber wir könnten auch anders damit umgehen. Wir könnten uns vorbereiten. Und zwar ohne uns in Horrorszenarien zu vertiefen, angsterfüllt und schlecht gelaunt durch die Welt zu laufen. Denn wir können es aus der Warte der Zukunftsforscherin machen. Mit ein wenig Abstand und ich bin mir sicher, dass es sich lohnt. Manche Krise können wir vielleicht auch schon dadurch abwenden, indem wir die Vorzeichen erkennen. 

Und das ist möglich, wenn wir “Zukunftsdenken” lernen. 

Zukunftsdenken ist ein nützliches und praktisches Werkzeug, dass unser Denken darauf einstellt, schneller auf neue Herausforderungen zu reagieren, Hoffnung und Widerstandsfähigkeit aufzubauen, Angst und Depression abzubauen, und anregt, heute die Weichen für zukünftiges Glück und Erfolg zu stellen.

Jane McGonigal 

Jane McGonigal ist Spielentwicklerin und eine der einflussreichsten Zukunftsforscherinnen weltweit. In ihrem Buch “Bereit für die Zukunft – Das Unvorstellbare denken und kommende Krisen besser meistern”  lädt sie dich ein, die eigenen Denkfesseln abzustreifen und sich das eigene Denken für das “Undenkbare” und “Unvorstellbare” offen zu halten. Sie zeigt Techniken auf, die dich unterstützen, die beiden Seiten der Zukunft zu sehen: die Gefahren und die Chancen. Es ist eine Brücke zwischen dem, was du heute als Grenze wahrnimmst und dem, was dein eigenes Potential sein könnte. Es ist eine Einladung, die Zukunftshoffnung und die Zukunftssorge ins Gleichgewicht zu bringen, damit dich neue Herausforderungen nicht erstarren lassen, sondern du eine Art Wiedererkennen eintritt und du dir deiner Möglichkeiten in dieser Situation bewusst bist.

Denn nur so können wir Einfluss auf die Zukunft nehmen. Und wir wissen ja …

 

Die Zukunft, die wir wollen, muss erfunden werden, sonst bekommen wir eine, die wir nicht wollen.

Joseph Beuys 

Wie kann das konkret aussehen? 

Um deine mentale Widerstandsfähigkeit, deine psychische Flexibilität und deine Tatkraft zu stärken, möchten wir dir zwei Übungen von Jane McGonigal vorstellen, die deinen Rucksack für die Zukunft füllen. Sie können dir helfen, dass du dir deiner Fähigkeiten und Kompetenzen auch in Krisen bewusst bist und dich unterstützen tragfähige Verbindungen zu leben. 

Die erste Übung ist ganz einfach und ist eher eine vorbereitende Übung. Sie unterstützt dich, deine Vorstellungskraft mit den echten Hoffnungen und Sorgen von Menschen, deren Lebensumstände, Werte und Erfahrungen sich von deinen unterscheiden, zu nähren. Sie heißt: „Übe dich in schwierigem Mitgefühl. “ Diese Übung ermöglicht es unsere Menschlichkeit zu vertiefen, Gräben zu überwinden und anderen Menschen helfen zu wollen.  Je mehr Menschen in einer Gesellschaft schwieriges Mitgefühl praktizieren, desto gesünder, zufriedener, selbstbewusster, gemeinschaftsorientierter ist unsere Gesellschaft. 

Schwieriges Mitgefühl zu üben hilft dir auch deine persönlichen Beziehungen widerstandsfähiger zu machen und du erholst dich schneller von Konflikten. 

 

Übe dich in “schwierigem Mitgefühl”. 

Man kann zwei Arten von Mitgefühl unterscheiden. Das “einfache” und das “schwierige”. 

Einfaches Mitgefühl

Das einfache Mitgefühl beschreibt die Empfindungen, die man hat, wenn man sich in Andere hineinversetzt, weil man selbst ähnliches erlebt hat. 

Schwieriges Mitgefühl

Das schwierige Mitgefühl beschreibt die Empfindungen, die man – manchmal sehr viel aufwendiger – heraufbeschwören muss, wenn man etwas nachempfinden möchte, was man selber noch nie erlebt hat, aber wirklich verstehen möchte. Dazu müssen wir einen Sprung machen, unsere instinktiven Empfindungen zur Seite schieben und im Denken einen Freiraum schaffen, eine ganz andere Erfahrung eines anderen Menschen lebendig werden zu lassen. Das ist nicht einfach und es wird noch schwieriger, wenn wir an den Personen überhaupt nicht interessiert sind. 

Aber Mitgefühl ist gerade in Krisen besonders wichtig. 

Und du kannst es ganz einfach üben. Am einfachsten ist es sicherlich in Gesprächen mit Freunden, die dir etwas berichten, was dir noch nie widerfahren ist. Oder die einen Wert vertreten, der dir völlig fremd ist. Und du dann – nachdem die ersten Empfindungen ganz automatisch kommen – beginnst dich zu erkunden. 

  • Wie würdest du dich fühlen?
  • Was würdest du brauchen?
  • Was würdest du tun? 

Oder du tauchst in der Zeitung oder in anderen Medien in die Geschichten von Menschen ein, die unter ganz anderen Umständen leben wie du. Und dann stellst du dir vor – möglichst lebendig – wie es sich für dich anfühlen würde, unter solchen Bedingungen zu leben – in deiner Welt. Und dann stellst du dir wieder die folgenden Fragen: 

  • Wie würdest du dich fühlen?
  • Was würdest du tun? 
  • Welche Unterstützung würdest du benötigen? 

Diese Übung kann man eigentlich jeden Tag machen. Es ist so eine Art “in die Schuhe des anderen schlüpfen”. Du weitest deinen Blick und lernst eine Menge. 

 

Die zweite Übung „Werde die Heldin oder der Held der Zukunft“ ist schon etwas herausfordernder. Sie lohnt sich, da mentale Zukunftsreisen dich einladen, Handlungsmöglichkeiten zu entdecken, bevor du sie benötigst. Du lernst, welchen Einfluss du haben kannst und entwickelst eine innerliche Bereitschaft, etwas zu bewegen. Also begib dich auf die Reise und packe deinen persönlichen Rucksack für die Zukunft. Egal was sie bereit hält. Du bist vorbereitet. 

Jane McGonigal hat einige Regeln aufgestellt, die dir helfen, Zukunft zu denken. Die wichtigste ist dabei sicherlich der Zeitraum. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber wenn ich zum Jahreswechsel Zukunft denke, dann denke ich an das nächste Jahr. Wenn ich mit Unternehmen Zukunft denke, dann ist es oft ein 3-5 Jahreszeitraum. Jane McGonigal schlägt einen 10-Jahreszeitraum vor. Das scheint ein guter Zeitraum zu sein, wo man sich wirklich alles vorstellen kann. Und es ist auch weit genug weg, so dass die “dunkle Seite”, die angstbehaftete Seite der Zukunft dich nicht direkt erschlägt, weil die Distanz groß ist.

Dies zeigt sich auch in vielen Untersuchungen zur Ich-Verbundenheit. Je weiter wir in die Zukunft gehen, um so unverbundener fühlen wir uns mit unserem späteren Ich. Es ist wie ein Fremder für uns. Und wir sehen unseren möglichen Einfluss auch gar nicht mehr. Diese Distanz behindert uns an manchen Stellen, weil wir viele relevante Themen geistig zur Seite schieben, weil sie ja nichts mit uns zu tun haben. Hier nutzen wir die Distanz zum zukünftigen Ich, um bereits heute die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen.  

 

Werde der Held oder die Heldin der Zukunft

Diese Übung ist eigentlich für die großen Themen, die unsere Welt betreffen, gedacht,  wie z.B. Klima. Wir möchten dich hier einladen erst einmal klein anzufangen und dir deine Zukünfte bei den Themen vorzustellen, die dich möglicherweise schon heute beschäftigen. Und vielleicht landen wir dann wieder bei den großen Themen – vielleicht aber auch bei persönlicheren wie den Renteneintritt, Umorganisation und anstehende Entlassungen, Sorge auszubrennen. Wichtig ist, dass es noch nicht so nah ist, dass es dich direkt überwältigt.

Du bist eingeladen deine Skepsis hintenan zu stellen und die Zukunft zu denken. Betrachte das Szenario aus deiner einmaligen Perspektive. Lasse ruhig Lächerliches und Absurdes zu. Stelle die Welt auf den Kopf. Du kannst auch ruhig andere Personen zu diesem Denkspiel einladen, denn das hilft dir wirklich deine Denkfesseln abzulegen und ganz frei zu denken. 

Also …stelle dir eine beliebige Zukunft vor. Um welche Zukunft geht es? Fühle dich hinein. Was siehst du? Hörst du? Wie sieht die Zukunft aus? Nimm diese Zukunft als Einladung dich selbst in die Rolle des Helden oder der Heldin zu begeben. Mal dir das große S auf die Brust und lege los. Fliege zu deinem zukünftigen Ich. 

    Stelle dir nun folgende Fragen:

    • Was braucht diese Person – und vielleicht auch ihre Familie oder Gemeinschaft – in dieser Zukunft? 
    • Welche Menschen können in dieser Zukunft einen besonderen Beitrag leisten oder eine besondere Unterstützung sein?
    • Wie kannst du in dieser Zukunft deine konkreten Stärken einsetzen, um deinem zukünftigen Ich aus dieser Situation zu helfen?
    • Und falls du dir ein sehr weitreichendes Thema vorgenommen hast, was auch andere Menschen betrifft: Welche deiner Werte motivieren dich, anderen zu helfen? Wie kannst du die Gemeinschaft unterstützen oder mobilisieren? 

    Was kannst du nach deiner mentalen Zukunftsreise in deinen Rucksack für die Zukunft packen? Vielleicht bist du jetzt sensibel für erste Anzeichen wo sich die Zukunft schon heute zeigen könnte? Vielleicht kannst du heute schon etwas tun, um die Folgen deiner Zukunftsvorstellung abzumildern oder aufzuhalten? Sei vorbereitet. 

    Und wenn du – genau wie ich – dich manchmal hilflos fühlst angesichts der Veränderungen die sich heute bereits ankündigen und du genau weißt, dass du trotzdem nicht einfach resignieren darfst, dann lohnt sich sicherlich ein Deep Dive in das Buch von Jane McGongagal. Viel Freude.