Eine Einladung deine inneren Stimmen zu erkunden

Kennst du das? Es passiert etwas in deinem Leben und sofort taucht eine kleine innere Stimme auf und kommentiert diese Begebenheit. Bei mir geht es manchmal schon morgens vor dem Spiegel los. Ich bin noch nicht ganz wach und sage meinem Spiegelbild, wie strubbelig, zerknittert es aussieht. Oder du fährst zur Arbeit, musst stark abbremsen, weil du den Fußgänger fast übersehen hast und denkst „Mann, bin ich blöd“. Vielleicht geht dein Tag so weiter. Dein Chef kommt gut gelaunt vorbei und bietet dir eine herausfordernde Aufgabe an, weil er viel von dir hält und du denkst „das schaff ich doch nie“. Du hörst wie sich Kollegen verabreden und beginnst einen innerlichen Dialog, was wohl passiert ist, dass dich keiner fragt. Ich übertreibe hier natürlich ein bisschen – aber ich bin überzeugt davon, dass es in deinem Leben Situationen gibt, in denen deine innere Stimme nicht nährend und wohlwollend mit dir spricht, sondern abwertend und verunsichernd. Und das braucht keiner 😉 

Aus diesem Grund laden wir dich heute ein, deine inneren Stimmen zu untersuchen. Diese Stimmen, die immer mal wieder ungefragt auftauchen. Wenn diese Stimmen sehr wohlwollend sind, dann können sie dich stärken und zu dauerhaftem Wohlbefinden führen. Oftmals ist es aber so, dass die inneren Stimmen eher negativ sind. Sie kritisieren jeden Gedanken und jede Handlung und werden deshalb auch häufig „innerer Kritiker“ genannt. 

Vielleicht glaubst du, du bist nicht gut genug? Nicht schön genug? Nicht klug genug? Nicht dies, nicht das? Vielleicht glaubst du auch du bist zu viel? Zu laut? Zu empfindlich? Das sind Gedanken, die Stress auslösen und dauerhaft zu einem Mangel an Resilienz führen. 

Auch wenn es im ersten Moment nicht hilfreich erscheint: dieses sich ständige Vergleichen und Abwerten, dein Denken und Fühlen ergibt Sinn. Unser Gehirn prüft permanent, ob wir sicher sind, und versucht, uns auf diese Art und Weise zu schützen. Auch wenn wir das in solchen Momenten nicht so empfinden. Die gute Nachricht ist:  Jeder Mensch ist lernfähig. Und jedes Gehirn sowieso. Dein Gehirn kann lernen Wärme und Zuneigung für dich auszudrücken. 

Aber wie soll das gehen?

Die Stimmen werden sanfter, wenn …du anerkennst, wo sie herkommen.

Oben haben wir schon von der guten Absicht unserer inneren Stimmen gesprochen. Das möchten wir an dieser Stelle noch einmal vertiefen. Aber Achtung! Jetzt kommt eine Art psychologischer Exkurs. Wenn dich das nicht anspricht, dann lies einfach direkt bei EXKURS ENDE weiter. 

EXKURS ANFANG: Warum passiert das alles überhaupt?

Sobald unsere Aufmerksamkeit nicht mehr ins Außen gezogen wird, versucht unser Gehirn die Fülle der sozialen Verbindungen aktiv zu integrieren. Dann wird das sogenannte Ruhestandsnetzwerk aktiviert. Das ist das Netzwerk des menschlichen Gehirns, was wir benötigen, um

  • uns an alles zu erinnern, was wir für soziale Interaktionen benötigen, 
  • zu überdenken, was wir und andere gesagt und getan oder nicht gesagt und getan haben, 
  • neue Erfahrungen zu integrieren, 
  • kreativ zu sein. 

Unser Gehirn führt automatisch Erinnerung und Denken zusammen und integriert beide mit unserem Selbstgefühl. Das Ruhestandsnetzwerk springt sehr schnell an, begleitet uns durch den Tag – selbst in Narkose – bis zum Einschlafen. Es verändert sich stetig, da es alle gemachten Erfahrungen integriert. Deshalb fühlen wir uns zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich. Das Ruhestandsnetzwerk versucht uns beim sozialen Überleben zu unterstützen. Erinnerungen scheinen uns zu helfen, Vorhersagen über das zu treffen, was als nächstes passiert, Absichten zu erkennen und es hilft uns, uns in die Gedankenwelt unseres Gegenübers zu versetzen. 

EXKURS ENDE

Je nachdem welche Erfahrungen wir in unserem Leben bereits gemacht haben, generiert das Ruhestandsnetzwerk – oder einfach gesagt unser Gehirn – eher Selbstvorwürfe, Beschuldigungen und Kritik oder Wärme und Wohlwollen. Ein erbarmungsloses Ruhestandsnetzwerk, verstärkt die allgemeine Unzufriedenheit oder macht krank. Das führt dazu, dass man ihm aus dem Weg gehen will, die Stimmen vermeiden will. Man lenkt sich ab, indem man sich ständig beschäftigt hält, durch Arbeit, Medien, Essen, Trinken, Rauchen etc. Wenn wir hingegen sanft, offen und freundlich mit uns selbst und anderen sein können, fühlt sich das Leben ganz anders an. Unser Ruhestandsnetzwerk wird sanft zu uns.

Vielleicht magst du die kommende Frage mitnehmen und dich die nächsten Tage selbst etwas beobachten.

Wohin gehen deine Gedanken, wenn keine Aufmerksamkeit mehr in die äußere Welt gezogen wird? Mit welchen Gedanken versucht dein Gehirn den Lauf deines Lebens zu verbessern? 

Egal was dir dein Gehirn sagt – ich hoffe, du kannst die positive Absicht deines Gehirns sehen. Das ist manchmal nicht leicht, denn man ist ja schon lange nicht mehr der oder die auf dessen Erfahrungen sich das Gehirn stützt. Aber in der Beziehung ist unser Gehirn einfach sehr anhänglich. Es bleibt bei den alten Erfahrungen hängen – denn die waren sehr eindrücklich. Aber: unser Gehirn ist sehr lernfähig. Gib ihm die Möglichkeit, indem du im ersten Schritt die Stimmen einfach annimmst. Ja, da sind sie. Du kennst sie schon, oder? Nicht eingeladen, aber hartnäckig 😉 Wenn wir für uns selbst Zuneigung entwickeln, laden wir unser Gehirn und unseren Körper zur Heilung ein. 

 

Die Stimmen werden sanfter, wenn …du innehälst und diesen Stimmen mit Mitgefühl zuhörst.

Auch das noch, oder? Da kommt ein ungebetener Gast und jetzt sollst du ihm auch noch mit Mitgefühl begegnen. Und genau das ist hier die Idee. Deine übliche Vorgehensweise ist wahrscheinlich eher, dass du ihnen zuhörst, ihnen vielleicht glauben schenkst, dich schlecht fühlst oder gar nicht richtig zur Ruhe kommen kannst, weil du die Stimmen einfach nicht hören willst. Wird diesen Stimmen aber nie wirklich zugehört, verschwinden sie leider nicht. Dein Gehirn braucht neue Erfahrungen. Höre den Stimmen also zu – aber mit Selbstmitgefühl! 

Selbstmitgefühl bedeutet, sich selbst gegenüber nachsichtig zu sein, sich um inneres Verständnis zu bemühen, Selbstakzeptanz zu entwickeln und ein Gefühl für den eigenen Wert zu bekommen. Es geht nicht um Stolz oder Selbsterhöhung und schon gar nicht um Rechtfertigung!

Was heißt das jetzt ganz konkret?

Du kennst sicherlich folgende Situation: Du sitzt mit jemandem zusammen und fragst dich, was wohl gerade in ihm/ihr vorgeht. Du schenkst deiner Erkundung Beachtung, nimmst die Stimme, den Tonfall, die Gestik, die Mimik, den ganzen Körper, den Inhalt der Worte wahr. Du stimmst dich auf dein Gegenüber ein. Du bist voller Aufmerksamkeit und frei von Bewertungen. Und mit der Zeit bekommt ihr beide eine Gefühl davon, dass das von dir Wahrgenommene auch für dein Gegenüber wahr ist – ihr seid im Gleichklang. 

Wenn du das kennst, dann hast du eine Vorstellung davon, wie es ist, wenn du dir mit der gleichen Aufmerksamkeit und Wärme begegnest und dich wohlwollend – und frei von Bewertungen erkundest. Vielleicht fällt es dir leichter, wenn du dir eine Person oder eine andere Präsenz vorstellst, wo du diese bedingungslose Akzeptanz gespürt hast. Eine Präsenz, die dich sehen und lieben kann und die dich zutiefst kennt. Diese Präsenz empfindet Zuneigung für dich. Sie sieht das beste in dir und hat ein großmütiges, offenes Herz. Sie kennt deine tiefsten Absichten und die Liebe, die deinen Handlungen und Plänen zugrunde liegen. 

Wie ist es mit Augen der Liebe betrachtet zu werden?

Wie fühlt es sich an, dass ihr dein Wohlbefinden am Herzen liegt?

Was geschieht in deinem Körper und deinem Herzen, wenn du sie anschaust?

Ich möchte dich einladen, in deiner Vorstellung gemeinsam mit dieser Präsenz deinen inneren Stimmen zu begegnen. Vielleicht genügst du nie? Bist nie gut genug? Dann erkunde diese Stimme mit warmer Neugier. Ah, ich höre du bist nicht zufrieden mit mir? Interessant. Fühle dich in die Stimme hinein? Ist sie wütend, traurig, ungeduldig? Sehnt sie sich nach Leistung? Perfektion? Anerkennung? Was könnte der Beitrag, die gute Absicht dieser Stimme sein? Begegne der Stimme mit Verständnis.

Und dann schenke dir selbst die Aufmerksamkeit. Wie geht es dir wenn du diese Stimme hörst? Was geschieht in deinem Körper? Wie fühlst du dich? Kannst du diese Emotion benennen? Und wie geht es dir jetzt damit? Kannst du dich damit sehen und anerkennen? 

Wie geht es dir, wenn du diese beiden Teile wahrnimmst, den Kritiker und dein Selbst? Versuche mit Wärme und Akzeptanz auf die beiden zu blicken. Beide setzen sich für unterschiedliche Bedürfnisse ein. Wenn wir sie sehen und anerkennen, begegnen wir unseren tiefen Sehnsüchten und bekommen einen vollständigen Blick auf unser Leben. Und dein Leben ist viel größer und vielfältiger, als diese Stimme. Aber sie ist ein Teil. 

Vielleicht ist es anfangs ungewohnt und die Stimmen setzen vielleicht zu ihrem üblichen Bad Talk (kein schönes Wort, aber wir haben gerade kein besseres) an, aber genau dann kannst du dich üben. Unser Gehirn und damit unser Ruhestandsnetzwerk wird dadurch beruhigt und die Stimmen werden mit der Zeit freundlicher. Je öfter du es machst, um so eher wird es dir zur Gewohnheit. Eine Gewohnheit, die die dir hilft ein gutes Leben zu führen. Und wenn es dir alleine nicht gelingt, dann suche dir einen „echten“ Begleiter.  Im besten Fall kannst du deiner inneren Stimme dann demnächst auch mit Humor begegnen: Ah, da bist du schon wieder. Ja, …ich weiß. Ich achte darauf und pass auf mich auf. Danke. 

Und noch ein ganz genereller Tipp: 

Sorge für dich! Sorge für dein Wohlbefinden, indem wir du dich immer öfter für nahrhaftes Essen, durststillende Getränke, warmherzige Freunde, eine Arbeit, die dich nährt und ernährt, Zeit für Spiel und Zeit für Schlaf entscheidest. Und mach dir da jetzt bitte keinen Extra-Stress. Feier die Momente in denen du eine Entscheidung für dein Wohlbefinden triffst und vielleicht wird es mit der Zeit immer mehr solcher Momente geben.

 

PS: Wer tiefer in dieses Thema einsteigen möchte, dem möchte ich das Buch Selbstresonanz – Im Einklang mit sich und seinem Leben, Erkenntnisse aus Neurobiologie, GfK und Traumaforschung von Sarah Peyton an Herz legen. 

P.P.S.: Wir sind manchmal furchtbar schlecht im Verkaufen, aber natürlich kannst du auch ein Coaching zu diesem Thema bei uns buchen. Wir freuen uns immer, wenn du dir Zeit für dich nimmst! Nähere Informationen zu unserem Coachingangebot findet du hier.